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Vom Bau der Eisenbahn bis zum Eder-Radweg.

Ein kurzer Abriss über 100 Jahre Holzhäuser Geschichte von Ernst-Dieter Mankel.

 

Der heutige Eder-Radweg vom westfälischen Erndtebrück bis zur Edermündung ist 171 km lang und führt in weiten Teilen durch das landschaftlich reizvolle Edertal. Innerhalb des Stadtgebietes Hatzfeld führt die Strecke über die ehemalige Eisenbahntrasse, überquert im Stadtteil Holzhausen zwei Eisenbahnbrücken und führt in Reddighausen, durch den 325 m langen Eisenbahntunnel, nach Dodenau.

 

Nach dem Abbau der Bahngleise und -schwellen im Jahre 2000, bot sich eine weitere Nutzung der Streckenführung als Radweg an. Besonders, weil die Trasse keine großen Höhenunterschiede aufweist. Am 13. Oktober 2012 wurde der Lückenschluss des Eder-Radwegs „R 8“ zwischen Hatzfeld und Dodenau fertiggestellt und eröffnet.

 

Zwischen der Eröffnung des Eder-Radwegs und der Eröffnung der Bahnstrecke Frankenberg – Berleburg der Preußischen Staatsbahn liegen 101 Jahre. In Anbetracht geschichtlicher Dimensionen ist das nur ein kurzes Stück Zeitgeschichte. Allerdings haben diese ca. 100 Jahre die Ortschaft Holzhausen entscheidet geprägt und gestaltet.

 

Einer der maßgeblichen Initiatoren für den Bau einer Eisenbahn ins benachbarte Westfalen war der „Hüttenbesitzer“ Prof. Dr. jur. R. Frank, (1860- 1934) ein Enkel von Pfarrer Christian Frank, (1787 -1851) des Gründers des „Reddighäuser Hammers“, der in unermüdlicher Arbeit für den Eisenbahnbau im oberen Edertal warb. I

 

Die Eisenbahnverbindung nach Westfalen war in erster Linie von wirtschaftlicher Bedeutung; sie verband die Stahlproduktion im Ruhrgebiet mit den Hüttenwerken im Edertal und schuf dadurch Arbeitsmöglichkeiten für eine seit Anfang des 19. Jahrhunderts zunehmend sich verschlechternde wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung. Die Auswanderung, als Flucht vor Armut und sozialer Verelendung, hatte jetzt eine Alternative. Viele Arbeiter aus dem Edertal fanden nicht nur in den heimischen Hüttenbetrieben Arbeit, sondern hatten die Möglichkeit, mit der Bahn, Arbeitsplätze im „Westfälischen“ zu erreichen. Bis vor wenigen Jahren gab es in Holzhausen noch einen Stammtisch mit dem Namen „Olper-Zug“, der auf die Bahnverbindung zu den Arbeitsplätzen in Westfalen hinwies, der von vielen Arbeitern, den s.g. „Westfalengängern“, auch aus Holzhausen, genutzt wurde. Dass die Bahnverbindung von der einheimischen Bevölkerung unterstützt und begrüßt wurde geht bereits aus dem ersten Vers eines Gedichtes hervor, das bei der Eröffnungs- und Einweihungsfeier der Bahnstrecke, am 15. November 1910 am Bahnhof in Holzhausen, von dem Schulkind Minna Zissel vorgetragen wurde:

 

„Frohbewegt, aus übervollem Glücke

kommen wir, mit Sonntagskleidern angetan.

Schaut das Auge doch mit frohem Blicke,

die nun fertige, so lang ersehnte Bahn.

 

Gilt es doch, ein Werk heut einzuweihen,

das Kultur und Fortschritt träget als Panier.

Möge es zum Blühen und Gedeihen

unserer Heimat dienen für und für.“ II

 

„Kultur und Fortschritt“ war das, was die einheimische Bevölkerung sich vom Neubau einer Bahnstrecke versprach. Schon mit Beginn des Bahnbaus im Jahre 1907 wurde deutlich, dass viel mehr Arbeitskräfte gebraucht wurden, als die heimische Bevölkerung stellen konnte. Die bisherige und weit verbreitete Arbeitslosigkeit ging zurück. Ausländische Arbeitskräfte aus Kroatien, Italien, Slowenien, Serbien (der Österreich-Monarchie) wurden angeworben. Ein Maschineneinsatz war weitgehend nicht möglich. Die Berg- und Tunneldurchbrüche mussten in Handarbeit ausgeführt werden. Der Flurname „Böge“ (Biege) in Holzhausen weist auf die große Ederbiegung (Ederschleife) hin, wo sich die Eder im Abstand von mehreren 100 Metern begegnet. Da die Bahntrasse der Ederschleife nicht folgen konnte, waren zwei Brückenbauwerke nötig. Außerdem musste ein Bergrücken (als Ausläufer des Rothaargebirges) durchbrochen werden.

 

Foto vom Tunneldurchbruch bei Reddighausen; aus: 700 Jahre ReddighausenFoto: III

 

Im Streckenabschnitt Dodenau-Reddighausen-Holzhausen wurden

100 000 Kubikmeter Erdmasse von Hand bewegt. Die Arbeiten in diesem Teilbereich der Preußischen Staatsbahn fanden ihren Abschluss mit den Einweihungsfeierlichkeiten im Jahre 1910. Der Streckenabschnitt Allendorf – Hatzfeld wurde am 17. Noverber 1910 eröffnet, der Streckenabschnitt Hatzfeld – Arfeld am 1. April 1911 und der Streckenabschnitt Arfeld - Raumland am 15. August 1911. Der Anschluss von Raumland nach Berleburg bestand schon seit 1910. Mit Beginn des Jahres 1911 konnte auf den Teilbereichen bereits Güter- und Personenverkehr stattfinden.

 

Offiziell kündigte im Oktober 1910 die Eisenbahndirektion die Eröffnung der neuen Strecke „als Nebenbahn mit den Bahnhöfen IV. Klasse Battenberg, Dodenau, Reddighausen, Holzhausen/Eder und Hatzfeld sowie dem Haltepunkt Eifa für den Personen-, Güter- und Gepäckverkehr sowie für die Abfertigung von Leichen und lebenden Tieren“ an. „Die Abfertigung von Sprengstoffen ist auf allen Stationen ausgeschlossen.“ Auf allen Bahnhöfen sollten aber Viehrampen für die Kopf- und Seitenverladung vorgehalten werden.

 

Sonderzüge verkehrten am Einweihungstag je zweimal von Allendorf in Richtung Hatzfeld und umgekehrt, gezogen jeweils von einer Lokomotive vom Typ P 3. Für zwei Fahrten zwischen Battenberg und Allendorf (Fahrtzeit: 7 Minuten) wurden nur Teile des Wagenzugs eingesetzt. „Die Benutzung der Züge ist, soweit Platz vorhanden, unentgeltlich zu gestalten“, ordnete die Kasseler Bahndirektion an, die auch die Lokomotive für den Festtag stellte. Dafür, dass die Sonderfahrten „anstaltslos durchgeführt werden können“, zeichnete die Bauabteilung Berleburg verantwortlich.

 

Abfahrtszeit für den ersten Sonderzug am 15. November 1910 war in Allendorf/Eder um 9.40 Uhr. „Mit Guirlanden bekränzt harrte die Lokomotive ihrer ersten Fahrt. Eine stattliche Menschenmenge, die Schulen und der Kriegerverein von Allendorf hatten sich auf dem festlich geschmückten Bahnhof eingefunden“, berichtete die Lokalzeitung. „Die verschiedenen Behörden und Corporationen hatten ihre Vertreter entsandt. Neben dem Landrat des Landkreises Biedenkopf, Herrn Daniels, war auch der um den Bahnbau verdiente frühere Landrat Kammerherr von Heimburg erschienen." IV

 

Auch am Bahnhof Holzhausen wurde der Sonderzug von einem Festkomitee empfangen. Ein Festzug mit den Bürgern der Gemeinde Holzhausen, den Schulkindern mit ihrem Lehrer Albert Wagner, dem Bürgermeister, hatten sich von Holzhausen zur Bahnstation „Holzhausen a.d. Eder“ begeben um den Sonderzug zu begrüßen. Der Tag der Streckeneinweihung war ein Festtag für die ganze Gemeinde, denn auch Holzhausen hatte durch den Bahnanschluss Teil am wirtschaftlichen Aufschwung der Region. Viele Betriebe, wie Sägewerke, Hammerwerke, Hüttenbetriebe, Papier- und Getreidemühlen, die entlang der Eder sich angesiedelt hatten, weil sie die Wasserkraft nutzen, profitierten von der Bahnlinie und der wachsenden Industrialisierung.

 

In der Blütezeit der Bahnlinie verkehrten bis zu 22 Züge täglich, überwiegend Güterzüge, die Strecke zwischen Frankenberg und Berleburg. Militärische und strategische Bedeutung hatte die Bahnlinie durch das Edertal allerdings niemals. Im Vordergrund stand ihre wirtschaftliche Bedeutung. Natürlich wurden im 1. Weltkrieg Soldaten aus dem Edertal zu ihren Sammelpunkten in Kassel und Marburg transportiert, von denen sie dann weiter zu den entsprechenden Frontabschnitten gebracht wurden. Im 2. Weltkrieg war es ähnlich. Gegen Ende des Krieges allerdings wurde die Bahnverbindung Frankenberg – Berleburg doch noch stärker militärisch genutzt. V-2 Raketen wurden von Lützel im Wittgensteiner Land gegen England abgeschossen. Diese Raketen wurden nachts mit Güterzügen durch das Edertal an ihre Abschussrampen gebracht. In Hatzfeld gab es ein V-2 Ergänzungslager mit dem Tarnnamen „Carmen“. Die Transportstrecken standen darum verstärkt unter der englischen und amerikanischen Flugüberwachung. Die Bahnhöfe, Gleisanlagen und Brückenbauwerke waren jetzt gezielt Fliegerangriffen ausgesetzt. So versuchte ein amerikanischer Pilot die obere Bahnbrücke in Holzhausen, nahe des Bahnhofs, zu treffen. Die Bombe traf nicht, sondern landete kurz davor in der Eder. In Reddighausen wurden Gleisanlagen nahe des Hammerwerkes zerstört. Die von Westen anrückenden amerikanischen Verbände nutzen in der Regel die Straßenverbindungen. So kam es in der Ortschaft Eifa Ende März 1945 noch zu kleineren und kurzen Gefechten. Beim Einmarsch bzw. Durchmarsch durch die Ortschaft Holzhausen trafen die amerikanischen Soldaten auf keinen Widerstand mehr. Die Bahnstrecken im oberen Edertal blieben weitgehend unversehrt. In den Tunnelanlagen zwischen Reddighausen und Dodenau und zwischen Bromskirchen und Hallenberg wurden von den amerikanischen Besatzern funktionsfähige Teile der s.g. „V-2“ entdeckt, die das höchste Interesse weckten und den Verdacht bestätigten, dass über die Edertalbahnstrecke V-2 Raketen transportiert wurden. Selbst General Eisenhower, als amerikanischer Befehlshaber, soll sich die Raketen vor Ort angesehen haben.

 

In der Zeit des Wideraufbaus nach dem Krieg gewann die Bahnstrecke wieder an wirtschaftlicher Bedeutung. Jedoch zeigte sich auch bald, durch die Zunahme des Individualverkehrs, ein Rückgang des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene. 1975 befuhren nur noch 16 Züge täglich die Strecke zwischen Frankenberg und Berleburg.

 

Eisenbahn

 

Bald wurde der Personenzugverkehr auf dieser Strecke wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit vollständig eingestellt. Trotz Proteste aus weiten Teilen der Bevölkerung wurde die einmal getroffene Entscheidung von Seiten der Bundesbahn aufrechterhalten. Die „unrentable Strecke sei nicht mehr zu verkraften“ teilte die Bundesbahndirektion in Frankfurt mit V. Der letzte reguläre Personenzug fuhr am 29. Mai 1981 die Strecke Frankenberg – Bad Berleburg. Fast 71 Jahre lang rollten hier die Personenzüge, bis zu jenem 30. Mai 1981. Der restliche Güterverkehr auf einer Teilstrecke wurde im Jahre 2002 vollständig eingestellt. Die Gleisanlagen und Schwellen waren schon teilweise ab dem Jahre 2000 abgebaut worden. Seit dem 13. Oktober 2012 führt der neue Edertal-Radweg „R 8“ ein Stückweit über die Strecke der ehemaligen Bahn zwischen Hatzfeld – Dodenau.

 

I 700 Jahre Reddighausen, Hrsgb: Magistrat der Stadt Hatzfeld, Wilhelm Bing, Korbach, 1986, S.363

II Erlebtes und Erzähltes, Hrsgb: Seniorenclubs der Großgemeinde Hatzfeld, Verlag Koch, Marburg, S. 103

III Foto vom Tunneldurchbruch bei Reddighausen; aus: 700 Jahre Reddighausen, a.a.O. S. 47

IV Auszug aus: Blick zurück, HNA vom 05.06.2021, von K.H. Völker

V 700 Jahre Reddighausen, a.a.O. S. 365

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